Persönlichkeitsstörungen
Hier einfach auch ein etwas wissenschaftlicher Blog was dieses doch sehr umfangreiche Thema betrifft.
Unter Persönlichkeit versteht man das bei jedem Menschen vorhandene einzigartige Muster aus zeitlich und situational relativ stabilen Merkmalen, das mit Situationen und Zeitpunkte übergreifenden Konsistenzen im Verhalten und Erleben einhergeht. Trotz dieser relativen Konsistenz weisen Menschen meistens genügend Flexibilität auf, so daß sie ihr Verhalten und Erleben besonderen Situationen und Personen gegenüber anpassen und verändern können. Bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen ist dies nicht der Fall und zieht Einschränkungen und Schwierigkeiten im Alltag, im Beruf und in sozialen Beziehungen sowie Leiden nach sich. In diesem Sinn wird eine Persönlichkeitsstörung (PS) in DSM-IV als
"umfassendes, überdauerndes, unflexibles Erlebens- und Verhaltensmuster, das deutlich von den Erwartungen der Kultur des Betroffenen abweicht und zu Leidensdruck oder Behinderung führt",
definiert.
Persönlichkeitstörungen zeigen sich sowohl in der Wahrnehmung, im Denken, in den Stimmungen, den Gefühlen und ihrer Regulation, in der Kontrolle von Handlungsimpulsen als auch im sozialen Bereich. Sie treten meistens erst im frühen Erwachsenenalter voll in Erscheinung, obwohl ihre Ursachen oft viel früher vermutet werden. Sie dauern meistens das ganze Leben an und weisen über lange Zeiträume kaum Veränderungen in ihrer Stärke auf. Da die Betroffenen meistens weniger stark durch eine Persönlichkeitsstörung belastet sind als ihr Umfeld, ist die Motivation zu einer Therapie und damit Veränderung des Verhaltens sehr oft nur gering ausgeprägt.
Die Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen ist im Vergleich zu der anderer Störungen häufiger Änderungen unterworfen. DSM-IV siedelt die Persönlichkeitsstörungen auf Achse II getrennt von den anderen psychischen Störungen (außer Geistige Behinderung) an. Es kennt aktuell 10 Persönlichkeitsstörungen und teilt diese nach deskriptiven Ähnlichkeiten in drei Gruppen ein, die Cluster genannt werden:
Cluster A: Sonderbares oder exzentrisches Verhalten
Paranoide PersönlichkeitsstörungSchizoide PersönlichkeitsstörungSchizotypische Persönlichkeitsstörung
Cluster B: Dramatisches, emotionales oder launenhaftes Verhalten
Antisoziale PersönlichkeitsstörungBorderline Persönlichkeitsstörung Histrionische PersönlichkeitsstörungNarzißtische Persönlichkeitsstörung
Cluster C: Ängstliches oder furchtsames Verhalten
Dependente PersönlichkeitsstörungSelbstunsichere PersönlichkeitsstörungZwanghafte Persönlichkeitsstörung
Im Anhang von DSM-IV werden weitere Persönlichkeitsstörungen für die Forschung vorgeschlagen (sogenannte “Anhangsstörungen”):
Passiv-aggressive PersönlichkeitsstörungDepressive Persönlichkeitsstörung.
In diesem Bereich kannte DSM-III-R noch
Sadistische PersönlichkeitsstörungSelbstschädigende Persönlichkeitsstörung
Als ein Grund für die Schwierigkeiten, eine stabile Klassifikation im Bereich der Persönlichkeitsstörungen zu erreichen, wird oft angeführt, daß persönlichkeitsgestörte Menschen Merkmale verschiedener Persönlichkeitsstörungen aufweisen, u.a.:
Paranoide PS: Viele Personen erhalten oft auch die Diagnose einer Borderline oder einer selbstunsicher-vermeidenden PS.Schizoide PS: Hier wird in ca. der Hälfte der Fälle auch die Diagnose einer selbstunsicher-vermeidenden und einer Paranoiden PS vergeben. Schizotypische PS: In ca. der Hälfte der Fälle wird auch die Diagnose einer Paranoiden und einerSchizoiden PS, in einem Drittel der Fälle der Borderline oder einer Narzißtischen PS gestellt.Borderline PS: Es wird in ca. der Hälfte der Fälle auch eine Schizotypische, eine Antisoziale und eine Histrionische PS gesehen.Selbstunsicher-vermeidende PS: Oft wird auch die Diagnose einer Abhängigen oder Borderline PS gestellt.
Da die Symptome verschiedener Persönlichkeitsstörungen in der Regel bei einer Person festgestellt werden und daher eine Trennung der Persönlichkeitsstörungen sehr schwierig ist, ist die DSM-Einteilung in die genannten Cluster umstritten. Störungen innerhalb eines Clusters sind sich auch oft recht ähnlich. Die Merkmale der einzelnen Störungen sind außerdem weniger genau beschrieben als bei anderen psychischen Störungen, was ebenfalls zu einer niedrigeren Übereinstimmung zwischen Diagnostikern bei der Diagnose von Persönlichkeitsstörungen führt. Für DSM-III betrug die Interrater-Reliabilität (Cohens Kappa) im Bereich der Persönlichkeitsstörungen z.B. nur 0,56.
Die Forschung zu den Persönlichkeitsstörungen ging lange Zeit fast ausschließlich von der Tiefenpsychologie aus. Verhaltenstherapeuten und Klinische Psychologen standen dem Konzept der Persönlichkeitsstörung dagegen lange sehr kritisch gegenüber. Von allen Persönlichkeitsstörungen ist v.a. die Borderline PS untersucht. Auch im Therapiebereich liegen für diese Störung die bestgesichertsten Befunde vor. Aus diesem Grund finden Sie im folgenden zu den anderen Persönlichkeitsstörungen nur kurze Beschreibungen, während für die Borderline Persönlichkeitsstörung auch Angaben zu Behandlung und vermuteten Ursachen gemacht werden.
Kurzbeschreibungen der einzelnen Persönlichkeitsstörungen
Paranoide Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer Paranoiden PS zeigen grundsätzliches Mißtrauen gegenüber anderen Menschen und interpretieren deren Motive oft als böswillig. Sie verdächtigen andere ohne ausreichende Belege, sie auszunutzen, zu schädigen oder zu täuschen, und bezweifeln die Loyalität und Vertrauenswürdigkeit ihrer Freunde und Partner. Generell fällt es ihnen schwer, anderen Menschen Vertrauen entgegen zu bringen, weil sie annehmen, daß im Gespräch ausgetauschte Informationen zu böswilligen Zwecken verwendet werden, und sie harmlose Bemerkungen oder Vorkommnisse oft als ihre Person abwertend oder bedrohlich erleben. Sie nehmen oft Angriffe auf sich wahr, die andere nicht so empfinden, reagieren dann sehr schell zornig und sind lange Zeit nachtragend.
Gegenüber Schwächen und Fehlern bei anderen, insbesondere im Arbeitsumfeld, sind Menschen mit dieser Störung sehr kritik, während sie sich selbt als makellos sehen und sich infolgedessen überempfindlich gegen Kritik zeigen. Sie sind streitsüchtig und starrsinnig und können ihre Fehler nicht erkennen. Ihre Mängel projizieren sie auf andere. Oft suchen sie die Schuld für ihre Mißgeschicke oder sogar ihr allgemeines Unglück bei diesen. Die Betroffenen hegen ständig Groll und gefährenden damti ihre Beziehungen zu anderen, einschließlich Autoritätspersonen.
Schizoide Persönlichkeitsstörung
Diese Menschen zeichnen sich durch eine grundlegende Distanziertheit gegenüber anderen Menschen und eine eingeschränkte emotionale Ausdrucksmöglichkeit aus. Sie haben kein Bedürfnis nach engen sozialen Beziehungen und auch keine Freude daran, auch in Bezug auf ihre Familie nicht. Sexuelle Interessen haben sie kaum. Sie sind fast immer Einzelgänger, haben selten enge Freunde und gehen oft Berufen nach, in denen sie mit Menschen nur wenig Kontakt haben. Freude empfinden sie nur bei wenigen Aktivitäten. Gegenüber Lob und Kritik erscheinen sie gleichgültig und geben nach außen ein Bild von emotionaler Kälte und Distanziertheit ab.
Schizotypische Persönlichkeitsstörung
Bei der Schizotypischen Persönlichkeitsstörung liegen erhebliche Defizite im sozialen Bereich vor. Die Betroffenen fühlen sich in engen sozialen Beziehungen unwohl und haben Schwierigkeiten, solche Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Daneben zeigen diese Menschen Auffälligkeiten in der Wahrnehmung, im Denken und im Verhalten. Häufig weisen sie Beziehungsideen auf, d.h. sie beziehen Dinge auf sich, die mit ihnen nichts zu tun haben. Sie hegen im Vergleich zu der Kultur, in der sie leben, seltsame und auch magische Überzeugungen, sind abergläubisch oder glauben an außersinnliche Fähigkeiten wie Hellsehen und Telepathie. Außerdem haben sie ungewöhnliche Wahrnehmungen und erleben auch körperliche Illusionen, wie z.B. das Spüren einer äußeren Kraft, die wissenschaftlich nicht nachweisbar ist. Ihre Denk- und Sprechweise ist ungewöhnlich, z.B. kann sie uneindeutig, aber auch übergenau, metaphorisch oder auch stereotyp sein. Menschen mit Schizotypischer PS können gegenüber anderen Menschen mißtrauisch sein oder auch paranoide Gedanken haben. Ihr Gefühlsausdruck ist oft unangemessen oder eingeschänkt. Verhaltensweisen oder äußere Erscheinung werden als seltsam oder exzentrisch beschrieben. Ihre sozialen Beziehungen sind durch eine starke soziale Angst geprägt, die auch nicht abnimmt, wenn die Beziehungen enger werden. Die soziale Angst hängt oft mit paranoiden Gedanken zusammen. Aufgrund ihrer sozialen Schwierigkeiten haben sie nur wenige Freunde und vertrauen selten anderen Menschen als ihren engsten Verwandten.
Antisoziale Persönlichkeitsstörung
Menschen mit Antisozialer PS werden häufig als Psychopathen oder Soziopathen beschrieben. Es gibt allerdings in der Forschung Auffassungen über Unterschiede zwischen einer reinen Antisozialen PS und den Konzepten der Psychopathie oder Soziopathie. Menschen mit Antisozialer PS mißachten und verletzen die Rechte anderer oft in schwerer und rücksichtsloser Weise. Sie passen sich nicht gesellschaftlichen Normen und den Gesetzen an, was zu Verhaftungen führen kann. Ihr Verhalten ist durch häufiges Lügen, den Gebrauch von Decknamen und dem Ausnutzen, Täuschen und Betrügen anderer Menschen, auch ihrer Sexualpartner, zum eigenen Vorteil geprägt. Sie sind oft impulsiv, können schwer vorausschauend planen. Sie sind auch schnell reizbar und aggressiv und werden daher oft in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt. Ihre Rücksichtslosigkeit geht soweit, daß das Leben anderer und auch ihr eigenes stark gefährdet sein kann. Es ist Menschen mit Antisozialer PS kaum möglich, einer dauerhaften Beschäftigung nachzugehen, längere sexuelle Beziehungen aufrechtzuerhalten oder ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. In Bezug auf ihre Taten fehlt ihnen die aufrichtige Reue, so daß sie ihren Taten oft mit Gleichgültigkeit gegenüber stehen bzw. diese mit Scheinargumenten rechtfertigen, auch wenn sie andere Menschen gekränkt, mißhandelt, mißbraucht oder bestohlen haben.
Histrionische Persönlichkeitsstörung
Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung sind übertrieben emotional, affektiert und streben danach, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Andernfalls fühlen sie sich unwohl. Im sozialen Austausch sind sie oft unangemessen sexuell verführerisch oder zeigen provokantes Verhalten. Dazu setzen sie sehr häufig ihren Körper ein, dramatisieren ihre eigene Person, sind theatralisch und übertreiben ihren Gefühlsausdruck. Ihre Emotionen wechseln dabei aber sehr rasch und sind oft nur oberflächlich. Menschen mit histrionischer PS sind oft leichtb beeinflußbar. Sie fassen Beziehungen zu anderen Menschen auch oft enger auf, als sie es tatsächlich sind.
Narzißtische Persönlichkeitsstörung
Bei Menschen mit Narzißtisches PS fällt v.a. ihr Bedürfnis nach Bewunderung, ihre Ideen eigener Größe und ihr Mangel an Empathie auf. Die Betroffenen fühlen sich sehr wichtig, was sich daran zeigen kann, daß sie ihre eigenen Leistungen und Talente übertreiben oder daß sie erwarten, ohne die angemessenen Leistungen gezeigt zu haben, als überlegen betrachtet zu werden. Sie phantasieren häufig über großen Erfolg, Macht und Schönheit, glauben an ihre Einzigartigkeit und Besonderheit, weswegen sie sich nur durch wenige besondere Personen oder Institutionen verstanden oder erkannt fühlen und arrogant gegenüber anderen auftreten. So verlangen sie Bewunderung und bevorzugte Behandlung. Menschen mit Narzißtischer PS nutzen andere Menschen oft aus, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Sie können sich auch nur schwer in andere hineinversetzen oder wollen dies nicht. Außerdem sind sie oft neidisch oder glauben, daß andere neidisch auf sie sind. Bei Kritik und Frustration werden sie oft wütend, können aber auch tiefe Scham und Gefühle der Leere entwickeln. Wenn diese Erlebnisse häufiger auftreten, können sich Menschen mit Narzißtischer PS sehr stark aus sozialen Beziehungen zurückziehen und depressive Symptome entwickeln.
Dependente Persönlichkeitsstörung
Diese Menschen streben sehr stark danach, versorgt zu werden, und zeigen stark unterwürfiges und anklammerndes Verhalten. Sie weisen auch starke Trennungs- und Verlustängste auf. In alltäglichen Situationen haben sie Schwierigkeiten, allein Entscheidungen zu fällen, und holen lieber umfassende Ratschläge ein. Ihnen fällt es schwer, Unternehmungen selbst zu beginnen und durchzuführen. Die Verantwortung für wichtige Lebensbereiche wie Beruf, Finanzen, Freizeitaktivitäten geben sie gewöhnlich an andere Menschen ab. Um versorgt zu werden und die Zuwendung von anderen zu erlangen, nehmen Menschen mit dieser Störung viele Einschränkungen in Kauf und übernehmen auch freiwillig ihnen stark unangenehme Tätigkeiten. Sie haben große Schwierigkeiten, eine andere Meinung zu vertreten als andere Menschen, weil sie befürchten, deren Unterstützung und Zustimmung zu verlieren. Oft werden sie von einer übertriebene Angst beherrscht, die sie versorgenden Menschen zu verlieren und sich selbst versorgen zu müssen. Wenn sie verlassen werden, suchen sie sehr schnell in intensiver Weise nach einer Person, welche die Versorgerrolle übernimmt.
Vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung
Menschen mit dieser Störung sind sozial stark gehemmt, fühlen sich minderwertig, zu nichts nutze und sind sehr empfindlich gegenüber negativer Kritik. Daher vermeiden sie oft berufliche Tätigkeiten, bei denen sie enger mit anderen Menschen zusammenarbeiten müssen und gehen nur zögernd zwischenmenschliche Beziehungen ein. Die Furcht, kritisiert oder abgelehnt zu werden, nimmt ihre Gedanken und ihr Verhalten stark ein und hemmt sie in sozialen Situationen. Menschen mit Vermeidend-selbstunsicherer PS fühlen sich sozial unbeholfen, persönlich unattraktiv und anderen gegenüber unterlegen.
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Menschen mit Zwanghafter PS sind sehr auf Ordnung bedacht, perfektionistisch und rigide in ihrem Verhalten. Sie beschäftigen sich übermäßig mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisation oder Plänen, so daß der wesentliche Gesichtspunkt der Aktivität dabei verlorengeht. Ihr Perfektionismus behindert oft die Erledigung ihnen übertragender Aufgaben. Teamarbeit fällt ihnen schwer, wenn die anderen nicht die eigene Arbeitsweise übernehmen. Die Delegation von Aufgaben an andere kommt für sie aber auch in der Regel nicht in Frage. Sie widmen ihr Leben v.a. der Ar